Rollstuhlfahrer fühlt sich diskriminiert

Bei den Kastelruther Spatzen wird Andreas Neuhäuser in die hintere Reihe verbannt

Andreas Neuhäuser ist sauer und fühlt sich als Rollstuhlfahrer diskriminiert. Beim Konzert der Kastelruther Spatzen am vergangenen Samstag in der Aalener Greuthalle habe er sich als Mensch zweiter Klasse behandelt gefühlt. Als eine „Unverschämtheit“ bezeichnet es der 48-Jährige, dass die Rollstuhlfahrer in die letzte Reihe hinten am Ausgang verbannt worden seien, obwohl es bei früheren Veranstaltungen immer üblich gewesen sei, vorne an der Bühne sitzen zu können. Kritik übt er an der Stadt Aalen. Diese ist jedoch nicht, wie der Platzordner an dem Abend fälschlicherweise behauptet hat, der Veranstalter des Konzerts gewesen.


Andreas Neuhäuser ist darüber verärgert, dass sich behinderte Menschen ihre Rechte
immer erstreiten müssen. (Foto: Siedler)

„Die Verantwortung trägt in diesem Fall die Agentur ,Provinztour' von Rolf Weinmann, an die die Stadt die Halle vermietet hat“, macht die Pressesprecherin der Stadt Aalen, Uta Singer, deutlich. Für Veranstaltungen gibt es einen Bestuhlungsplan, der vorsieht, dass Plätze für Menschen mit Handicap vorne rechts oder links von der Bühne eingerichtet werden können. „Wo der Veranstalter jedoch letztlich die Plätze vorsieht, können wir ihm nicht vorschreiben und ist auch abhängig vom tatsächlichen Aufbau der Bühne“, sagt Singer, die sich jedoch auch einen sensibleren Umgang von den Platzordnern und dem Veranstalter gewünscht hätte.

Dieser habe jedoch auch gewisse Auflagen, die er erfüllen müsse. Ein Grund, warum die Platzordner dem Oberkochener und seiner ebenfalls im Rollstuhl sitzenden Freundin untersagt haben, im Bereich der Fluchtwege und des Notausgangs das Konzert zu verfolgen. Ein Argument, das Neuhäuser an diesem Abend nachvollziehen konnte und es nach etlichen Diskussionen doch noch erreicht hatte, das Konzert in der vorderen Reihe genießen zu können. „Warum sich Menschen mit Handicap ihre Rechte immer erstreiten müssen“, kann der 48-Jährige nicht nachvollziehen. „Die Gesellschaft scheint von Integration noch meilenweit entfernt zu sein.“

Sicherheit geht vor
Als so „behindertengerecht wie der Mount Everest“ bezeichnet Weinmann die Greuthalle. Die Fluchtwege hätten zwar den gesetzlichen Vorgaben entsprochen, mehr aber auch nicht. Es wird wohl auch das letzte Konzert der Kastelruther Spatzen in Aalen gewesen sein, „da die Halle nicht mehr den heutigen Tourneestandards entspricht“, betont Weinmann. Darüber hinaus habe die Veranstaltung mit Ach und Krach gerade einmal die Kosten gedeckt. 80 Plätze seien noch frei gewesen.

Richtig sei, dass die Stadt in ihrem Bestuhlungsplan vorne an der Bühne Plätze für Rollstuhlfahrer ausweist – diese dort vorzusehen sei möglich, wenn die Bühne acht mal vier Meter breit ist. Im Falle der Kastelruther Spatzen hatte diese jedoch eine Größe von 18 mal zwölf Meter. „Es ist nachvollziehbar, dass jeder Zuschauer gut auf die Bühne sehen möchte, aber die Sicherheit geht vor“, macht Weinmann deutlich. „Falls ein Feuer ausbricht oder sonst ein Unglück passiert, kommen die Rollstuhlfahrer nie wieder aus der Halle heraus.“ Deshalb ist es sinnvoll, sie in der Nähe des Ausgangs zu platzieren. Dass der Ordner Neuhäuser und seine Freundin letztlich vorne hatte sitzen lassen, sei nicht korrekt gewesen. Wenn etwas passiert wäre, hätte der Ordner ein Problem gehabt. „Gesetzliche Vorgaben müssen auch für Leute mit Handicap gelten“, sagt Weinmann.

Stadt liegt Integration am Herzen
Die Stadt betont indes, dass Integration und das gemeinsame Zusammenleben von behinderten und nicht behinderten Menschen keine „großspurigen Worthülsen“ und „Lippenbekenntnisse“ seien, wie Neuhäuser kritisiert. „Darauf legen wir großen Wert und haben diesbezüglich auch einen engen, ständigen Kontakt mit der Agendagruppe ,Aalen barrierefrei', die ihrerseits auch einen Leitfaden für Veranstalter erarbeitet hat, in dem unter anderen auch auf die Bestuhlung bei Veranstaltungen eingegangen wird“, sagt Singer. Gemeinsam mit der Agendagruppe sei die Stadt bemüht, das Bewusstsein für die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen zu schärfen. „Es ist ein ständiger Prozess und mit dem Führer ,Aalen für Alle‘ und dem Veranstaltungsleitfaden liegen bereits gute Ergebnisse der Zusammenarbeit vor.“

Verena Schiegl, Aalener Nachrichten

 
 
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